Hausarzt Dr. Thomas Schätzler: „Jeden Tag leben, als könnte es dein letzter sein!“

Dr. Thomas Georg Schätzler war bis 2020 in seiner Dortmunder Allgemeinarztpraxis aktiv. Dann stellte er sich an die Seite des Ambulanten Erwachsenen Hospizdienstes Dunkelbunt. Im ersten Befähigungskurs der Ehrenamtlichen referiert er an zwei Abenden über „Gutes Sterben“ und über „Erste/Letzte Hilfe“. Thomas Schätzler starb am 31. August 2022 und hinterlässt eine große Lücke – sein vielseitiges Engagement wird uns immer in Erinnerung bleiben. Wir freuen uns, dass Thomas Schätzler selbst jeden Tag bis zum Schluss so gelebt hat, als sei es ein letzter.

Im Interview sprachen wir 2020 mit Dr. Schätzler darüber, worauf es in der palliativen Phase ankommt:

Frage: Sie haben in ihrer Praxis als Allgemeinmediziner und Hausarzt auch viele Patient*innen bis ans Lebensende begleitet. Worauf kommt es in der palliativen Phase besonders an?

Dr. Thomas Schätzler: Ich denke, dass es besonders darauf ankommt, dass man die Patient*innen genau dort abholt, wo sie gerade stehen und dass man Verständnis für jede Situation hat. Man muss zuhören und reflektieren können. Auch Geduld und Empathie finde ich in der palliativen Phase wichtig.

Frage: Wann beginnt für Sie aus ärztlicher Sicht die palliative Phase?

Dr. Thomas Schätzler: Wenn Patientinnen und Patienten zum ersten Mal klar wird, dass es ans Sterben, an die Endlichkeit und die Unüberwindbarkeit von Krankheiten, um bio-psycho-sozial-kulturelle-kommunikative Behinderung, Ausgrenzung und Teilhabeverlust geht.

Frage: Wann thematisiert man als Arzt, dass es keine Heilungschancen mehr gibt – und was kann man tun, damit so ein Gespräch (möglichst) gelingt ?

Dr. Thomas Schätzler: Dann, wenn es um ernste, lebensbedrohliche Krankheiten geht. Man sollte offen mit Patientinnen und Patienten umgehen, eigene Befindlichkeiten spiegeln.

Situationsbedingt habe ich auch eigene Erfahrungen erzählt. Also, ich habe dann eine vergleichbare Geschichte erzählt, zum Beispiel, wie es mir ging, als mir bewusst wurde, dass ich meine Lebensgefährtin gehen lassen muss.

So ein Gespräch gelingt meiner Meinung nach nur, wenn ich aufrichtig und ehrlich mitmeinen Patienten*innen bin und ich ihnen auch sage, was ich mir in ihrer Situation selber wünschen würde.

Frage: Was können Ärzte tun, um die letzte Phase des Lebens zu erleichtern?

Dr. Thomas Schätzler: Ärzte können und sollten auf jeden Fall Schmerzen und leib-seelische, soziale Pein lindern. Das gelingt nur mit einer guten Schmerztherapie. Und die wiederum gelingt nur, wenn der Arzt den Patient*in mit einbezieht. Darüber hinaus sollte der Arzt versuchen, begleitende  Beschwerden (wie z.B. Erbrechen) zu lindern und auch Einschränkungen zu verringern.

Am wichtigsten ist aber auch Zeit. Es ist für den Patienten leichter, wenn er sich im Gespräch öffnen kann. Und unter Druck und Hektik gelingt das meistens nicht.

Frage: Was könne Ärzte tun, um Angehörige zu unterstützen?

Dr. Thomas Schätzler: Ärzte müssen authentisch sein. Sie sollten sich in die Situation der Angehörigen einfühlen können und vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen. Sie sollten den Angehörigen zuhören und sie bestärken.

Frage: Was können Angehörige tun, um die letzte Phase des Lebens ihrer Lieben zu erleichtern?

Dr. Thomas Schätzler: Erleichtern kann man mit freier, offener, bedingungsloser Zuwendung. Wenn es noch geht, sollte man biografische Konflikte, wie Leiden, Glücksmomente, Höhen und Tiefen noch aufarbeiten.

Frage: Was können aus ihrer Sicht Ehrenamtliche tun, um die letzte Lebensphase eines Menschen zu begleiten?

Dr. Thomas Schätzler: Ich denke, die Ehrenamtlichen wären eine gute Ergänzung zu den Angehörigen und Ärzten. Sie können mit Zeit und Gesprächen oder auch nur durch Zuhören lindern, trösten und helfen.

Frage: Welche Aspekte der der Ausbildung für Ehrenamtliche halten Sie persönlich für besonders wichtig?

Dr. Thomas Schätzler: Auf jeden Fall den Aspekt der eigenen Sterblichkeit/Vergänglichkeit und bio-psycho-sozial-kulturelle Reflexion und Kommunikation, also viel Gruppengespräche finde ich wichtig.

Frage: Wenn Sie persönlich Tod und Trauer erlebt haben – was haben Sie sich gewünscht in dieser Phase?

Dr. Thomas Schätzler: Präsenz, Offenheit, Mut und Nachdenklichkeit der Familie, Freunde und Bekannte, halt von all denen, die in dieser Zeit um mich herum waren. 

Frage: Was ist ihre Motivation, die Gründung des Ambulanten Erwachsenen Hospizdienst Dunkelbunt zu unterstützen?

Dr. Thomas Schätzler: Meine Motivation ist, Defizite in der Palliativversorgung zu verringern. Erfahrungen aus 52 Jahren Haus- und Familienarzttätigkeit (von der Wiege bis zur Bahre) und eigene nahe Todeserfahrungen weitergeben zu können. Man kann daraus lernen:
JEDEN TAG (ER-)LEBEN, ALS KÖNNTE ER DEIN LETZTER SEIN!

Zur Person:

thomas schaetzler 1 400„Ich bin 1950 in Berlin/Tempelhof geboren. Ab 1962 bin ich in Bonn aufgewachsen, da mein Vater (Jurist) beruflich versetzt wurde.

Nach meinem Abitur habe ich mit dem Studium (Biologie, Psychologie und Humanmedizin – Vorklinik) begonnen. Dann habe ich das klinische Studium in Berlin und Sydney (Australien) in Gynäkologie und Geburtshilfe gemacht. 1975 habe ich das Staatsexamen in Berlin gemacht und kurz darauf meine erste Stelle in der Chirurgie und Inneren Medizin im St. Elisabeth Krankenhaus in Bochum angetreten. Von dort aus bin ich nach Herne ins evangelische Krankenhaus gegangen.

Dort arbeitete ich in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Nach zwei Jahren hat es mich nach Essen in die Beratungsstelle der AWO verschlagen, wo ich Beratungsarbeit in Sozialmedizin, Psychotherapie und Gesundheiterziehung gemacht habe. Danach kamen einige Allgemeinmedizin-Vertretungen in und um Dortmund, bis ich mich dann am 1.04.1992 in meiner eigenen Praxis niedergelassen habe, welche ich aus Altersgründen im Juni 2020 an einen jüngeren Kollegen übergeben habe.

Außerdem schreibe ich gerne und viel. Es wurden auch viele meiner Kommentare, und Artikel veröffentlicht. Ich schreibe auch in Blogs und sozialen Medien.

Ich habe sehr viele Fort- und Weiterbildungen besucht, da mich gerade seltene oder schwierige Krankheitsbilder meiner Patienten interessiert haben und ich nichts unversucht lassen wollte.“

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